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Haushaltsrede 2011 der SPD-Fraktion

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Haushaltsrede der SPD-Fraktion zum Haushalt 2011

Sehr geehrter Herr Thoma,

meine sehr geehrten Damen und Herren,

wir werden heute einen Haushalt verabschieden, der uns große Sorgen bereitet.

Es soll uns zwar nicht beruhigen und über die Probleme hinwegtäuschen, aber die Geschichte zeigt uns, dass solche Sorgen nichts Neues sind und bereits in früheren Zeiten die Verantwortlichen umgetrieben haben.

So hat der vor mehr als 2000 Jahren (106 bis 43 v. Chr.) lebende römische Staatsmann und Philosoph Marcus Tullius Cicero gesagt:

Der Staatshaushalt muss ausgeglichen sein.
Die öffentlichen Schulden müssen verringert,
die Arroganz der Behörden gemäßigt und kontrolliert werden.“

Auf dieses Zitat werde ich in der Folge noch genauer eingehen.

Die beiden vergangenen Jahre waren geprägt von der größten Finanz- und Wirtschaftskrise der Nachkriegsgeschichte.

„Kommunale Haushalte vor dem Kollaps“, „Kommunalfinanzen im freien Fall?“, „Die finanziellen Grundlagen der kommunalen Selbstverwaltung sind ernsthaft bedroht“ und „Die Krise reißt Löcher in kommunale Haushalte“. So lauteten immer wieder die Schlagzeilen zahlreicher Veröffentlichungen diverser Medien zur finanziellen Situation der Städte und Gemeinden.

Auch die Stadt Weinsberg ist in hohem Maße von dieser Situation betroffen.  Selbst wenn aus der Wirtschaft bereits wieder positive Nachrichten kommen und sich die schwierige Wirtschaftslage zu entspannen scheint, gibt es keine Alternative zur Fortsetzung des im vergangenen Jahr begonnenen Konsolidierungsprozesses, wenn wir unsere Stadt langfristig zukunftsfähig gestalten wollen. Dies fordert auch unmissverständlich die Kommunalaufsicht des Landratsamtes Heilbronn in ihren Anmerkungen zu unserem Haushalt 2010. Um den notwendigen finanziellen Handlungsspielraum zu erhalten, ist die Stadt Weinsberg angehalten, im Rahmen eines Haushaltssicherungskonzepts einen Katalog kurz- bis mittelfristiger Konsolidierungsmaßnahmen für 2011 bzw. für die Finanzplanung der Folgejahre zu erstellen. Ein erster Vorschlag mit Einsparungen in Höhe von 51.200,– Euro liegt dem Gremium heute vor. Diesem kann die SPD-Fraktion zustimmen. Weitere Vorschläge in einer Gesamthöhe von 400.000,– Euro müssen bis Juni 2011 folgen.

Doch warum erst jetzt? Wir wissen doch, dass zumindest seit Beginn der Weltwirtschaftskrise die Gelder, die unseren Haushalt maßgeblich tragen, nämlich der Anteil an der Einkommensteuer und die Schlüsselzuweisungen keine verlässlichen Größen mehr sind. Die Gewerbesteuer war es sowieso noch nie.

Wir wissen auch, dass die Standards der Stadt zu hoch sind. Dies stand auch mehrfach in den Haushaltsvorberichten der letzten Jahre und musste deshalb immer wiederholt werden, weil die guten Ansätze der Haushaltsstrukturkommission im Jahr 2004 durch entsprechende nachträgliche Beschlüsse nahezu komplett zunichte gemacht wurden und die im Jahr 2010 beschlossenen Einsparmaßnahmen nicht ausreichten.

Im Sinne des Zitats von Marcus Tullius Cicero haben wir zwar die öffentlichen Schulden verringert, ja sogar erreicht, dass die Stadt Weinsberg seit Sommer 2008 schuldenfrei ist. Dieser Zustand konnte allerdings nur aufgrund massiver Rücklagenentnahmen erreicht werden und nicht, wie es eigentlich sein sollte, durch eine Effizienzmaximierung des Verwaltungshaushalts in Form einer geänderten Aufgaben- und Ausgabenstruktur.

Die Leistungsfähigkeit einer Gemeinde wird im Wesentlichen nach der Zuführung zum Vermögenshaushalt beurteilt. Sie lässt erkennen, inwieweit laufende Einnahmen nicht nur zur Deckung laufender Ausgaben benötigt, sondern auch für Investitionen verwendet werden können. Eine derartige Deckung ist, wie der vorgelegte Haushaltsplan zeigt, 2011 überhaupt nicht gegeben, Zuführungen zum Vermögenshaushalt sind nicht möglich. Im Gegenteil, zur Deckung unseres Haushalts müssen wir Mittel aus den Rücklagen entnehmen. Und wir wissen alle, unsere Rücklagen sind endlich, je weniger wir sparen werden, desto schneller sind sie erschöpft.

Ein Haushaltsplan spiegelt den Willen einer Stadt zur kommunalen Selbstverwaltung wieder. Überlegungen dazu sind bestimmt vom Bestreben, das Heft des Handelns in der eigenen Hand zu halten.

Nach der Aufstellung des Haushaltsentwurfs für das Jahr 2011 müssen wir aber leider wieder einmal erkennen, dass unsere Handlungsmöglichkeiten stark eingeschränkt bleiben.

Ist das nicht die Arroganz der Behörden, von der Marcus Tullius Cicero spricht, die es zu mäßigen und zu kontrollieren gilt. Wir kennen die Faktoren, die unseren Haushalt derart negativ beeinflussen und tun nichts bzw. nicht genug dagegen, getragen von dem spekulativen Gedanken, dass auch wieder „fette Jahre“ kommen werden und man somit um schmerzhafte und auch unpopuläre Einschnitte herumkommt, frei nach dem Motto: „Es wird schon gutgehen.“

Patentrezepte, unsere problematische Haushaltsituation zu lösen, gibt es sicherlich nicht. Wir als ehrenamtliche Gemeinderäte erwarten von Ihnen, Herr Thoma und der Verwaltung die Vorlage konkreter, realisierbarer Einsparmaßnahmen, um die finanzielle Lage unserer Stadt nachhaltig zu verbessern. Diese konkreten Einsparmaßnahmen hätten in Kenntnis dieser Situation allerdings schon deutlich früher kommen müssen. Ein guter Ansatz war im Jahr 2010 vorhanden. In der Haushaltsvorbesprechung für den Haushalt 2010 kam aus den Reihen des Gemeinderats die Forderung an die Stadtverwaltung, konkrete Lösungen mit all ihren finanziellen, strukturellen und personellen Auswirkungen zu präsentieren. Dies ist in Teilen auch geschehen. Im Rahmen von Klausursitzungen wurde ein Teil der Vorschläge umgesetzt. Das war aber nur ein kleiner Schritt und wieder keiner, der die Strukturen dieses Haushalts tatsächlich verändert hat. Vieles wurde meines Erachtens zerredet. Wir als Gemeinderäte müssen uns allerdings den Vorwurf gefallen lassen, dass wir nicht genügend Druck aufgebaut haben, um diese Vorschläge tatsächlich in eine handhabbare und nachhaltig wirkende Lösungsform zu bringen.

Sicherlich darf unser Haushaltsdefizit bei unseren Entscheidungen nicht zum Maß aller Dinge werden. Eine Kommune ist kein auf Gewinn ausgerichtetes Unternehmen. Sie steht für Daseinsvorsorge, soziale Verantwortung, bestmögliche Betreuungs- und Bildungsangebote für Kinder und ältere Menschen, gesellschaftlichen Zusammenhalt und vieles mehr. Letztendlich sind wir aber gezwungen, uns noch intensiver wie bisher mit dem Gedanken auseinanderzusetzen, wie wir die Zukunft unserer Stadt in den nächsten Jahren bei einer stagnierenden bzw. leicht zurückgehenden Bevölkerung und einem deutlich reduzierten finanziellen Spielraum aktiv und attraktiv gestalten wollen. Hier sind vor allem Vernunft, Weitsicht und auch der Mut zu unpopulären Entscheidungen von uns allen, Verwaltung, Gemeinderat und auch Bürgern gefordert. Es ist wichtig, den einzelnen Bürger, die Vereine und die Institutionen, die in Weinsberg aktiv sind, in die Gesamtdiskussion miteinzubeziehen und Entscheidungen zu treffen, die für alle transparent sind. In diesem Zusammenhang erinnere ich nur daran, dass wir mit unserem Agenda-Prozess vor einigen Jahren bereits auf einem guten Weg waren, das Wissenspotential und das Engagement der Bürgerinnen und  Bürger für unsere Kommune zu gewinnen. Dies wäre zu Zeiten klammer Kassen um so wichtiger, da durch gute Ideen und bürgerliches Engagement doch einiges an Geld eingespart werden kann. Leider  versagte der damalige Gemeinderat entgegen der Meinung der SPD-Fraktion weitere finanzielle Mittel für die Fortführung dieses Agenda-Prozesses.

Es gibt aber auch andere Formen der Bürgerbeteiligung, z.B. den sogenannten „kommunalen Bürgerhaushalt“. Was verbirgt sich hinter diesem Begriff? Es ist eine Möglichkeit, den Bürgern einer Gemeinde die Teilnahme an der Erstellung oder Umsetzung von öffentlichen Haushalten zu ermöglichen, indem sie zunächst im Rahmen einer Initiativveranstaltung erfahren, welche Aufgaben erfüllt werden müssen und welche Kosten dabei entstehen. Danach können sie gemeinsam mit der Kommune Ziele entwickeln und vorschlagen, wofür zukünftig das Geld ausgegeben werden soll. Der Gemeinderat behält jedoch das Haushaltsrecht. Das hat den Vorteil, dass eine hohe Transparenz erreicht wird und notwendige Einsparungen eher akzeptiert werden.

Eigene Einsparvorschläge können gemacht werden. Für Verwaltung und Gemeinderat bedeutet diese Einbindung der Bürger nicht nur kostenlose Beratung, sondern kann auch zu einem neuen Verhältnis zwischen Kommunalpolitik und Bürgerschaft führen. Das Ganze ist nicht neu. Die brasilianische Stadt Porto Alegre hat den Bürgerhaushalt bereits im Jahr 1989 durchgeführt und in einigen deutschen Städten und Gemeinden liefen bzw. laufen derartige Projekte.

Wir sollten darüber diskutieren, ob dies auch ein Weg für Weinsberg ist.

Die aktuelle Wirtschaftsentwicklung und die mit einhergehenden Konsequenzen für die kommunalen Haushalte zwingen uns, uns auf das Mögliche zu konzentrieren. Die Spielräume sind daher, wie gesagt, sehr eng. Eine klare Formulierung der mittel- und langfristigen Ziele ist notwendig, sonst besteht die Gefahr, dass die Vielfalt von verschiedenen Entscheidungen, die eine Kommune treffen muss, im Rückblick keine klare Linie zeigt, sondern wie ein Flickenteppich aussieht. Hier kann ein in solchen Zusammenhängen immer wiederkehrender Satz platziert werden: „Wo will ich hin, welchen Weg wird die Stadt Weinsberg in die Zukunft beschreiten?

Ein „Weiter so“ kann es nicht geben. Das wäre schlicht und einfach  verantwortungslos. Auf der anderen Seite steht Weinsberg im Hinblick auf den demographischen Wandel und aufgrund stagnierender bzw. rückläufiger Bevölkerungszahlen im Wettbewerb mit anderen Kommunen, auch was den Zuzug junger Familien betrifft, aber nicht nur da.  Ein undurchdachter Kahlschlag der sogenannten Freiwilligkeitsleistungen wäre kontraproduktiv. Also ist, wie ich es schon in meiner Haushaltsrede 2005 gesagt habe, Sparen mit Weitsicht angesagt. Aber damit wollen wir kein Totschlagsargument gegen unpopuläre Sparmaßnahmen im Bereich der Freiwilligkeitsleistungen liefern. Gerade in diesem gesamten Bereich müssen wir uns fragen: Wie viele Weinsbergerinnen und Weinsberger erreiche ich durch dieses freiwillige Angebot?  Was für Konsequenzen hätte eine Reduzierung oder Komplettstreichung dieses Angebots? Gibt es Private, die diese Leistungen anbieten können? Und dann müssen aber auch Leistungen reduziert werden oder gar ganz wegfallen, wenn wir die entsprechenden Antworten dazu haben.

Die SPD-Fraktion wird weiterhin verantwortungsvolle Politik betreiben und im Sinne der Stadt auch Maßnahmen vorantreiben, die langfristig zur Konsolidierung beitragen, aber kurzfristig auch unpopulär sein können. Diesen Dialog dazu wollen wir mit der Stadtverwaltung und den anderen Gemeinderatsfraktionen ergebnisoffen führen.

Wir sind der Meinung, dass der eingeschlagene Weg bei der Ganztagesbetreuung in Kindergärten und Schulen konsequent weitergegangen werden sollte. Wir haben in den letzten Jahren sehr viele Maßnahmen ergriffen, um Weinsberg zu „der“ Schulstadt im Weinsberger Tal zu machen. Dies sollte fortgesetzt werden. Dazu gehört auch die sehr wichtige und inzwischen hervorragend etablierte Schulsozialarbeit, die auch ein Teil der Jugendarbeit in der Stadt darstellt. Jugend- und Vereinsarbeit wollen wir weiterhin stärken. Wir sehen in dieser Jugend- und Vereinsarbeit die Möglichkeit, Jugendliche zur kommunalen Beteiligung zu motivieren und in Zeiten außerfamiliärer Orientierung Hilfestellung bei sozialen, gesellschaftlichen und politischen Problemen bzw. Fragen zu geben. Klar ist, dass dies nicht ohne Beachtung finanzieller Grenzen geschehen kann.

Ein unserer Meinung nach wichtiger Ansatz zur Reduzierung der Kosten ist das Vorantreiben der interkommunalen Zusammenarbeit bei den verschiedensten Themen. Ein gutes Beispiel in jüngster Vergangenheit haben sie, Herr Ehmann geliefert. Ich erinnere an die Vorbereitungen zur Festsetzung der gesplitteten Abwassergebühr. Das Befliegen der zu beurteilenden Flächen haben sie mit anderen Kommunen gemeinsam vorgenommen, sodass hier ein größerer Betrag eingespart werden konnte.

Es gibt sicherlich auch noch viele andere Felder, auf denen eine solche Zusammenarbeit zwischen den Kommunen Sinn macht und es gibt ganz bestimmt nicht nur die konsequent durchgeführte Einsparmaßnahme, die den Haushalt entlastet, sondern auch die gute Idee, die zielführend ist. Und Nachdenken kostet nichts.

Sehr geehrter Herr Thoma, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Wir müssen uns bewusst sein, dass sich Dinge, die Menschen bewegen, überwiegend im Alltag vor Ort, also in den Städten und Gemeinden abspielen.

Gerade in den Kommunen machen die Bürgerinnen und Bürger ihre praktischen Erfahrungen mit der Politik. Kommunalpolitik ist damit eine Basispolitik und eine tragende Säule unseres Staates und unserer Demokratie. Dazu gehört auch eine transparente, für alle nachvollziehbare, verantwortungsvolle und nachhaltige Haushaltspolitik.

Lassen wir uns alle, sie, Herr Thoma, die Verwaltung und der Gemeinderat in die Pflicht nehmen, um die bestmöglichen Maßnahmen zu einer strukturellen und somit wirkungsvollen Verbesserung unseres Haushalts zu ergreifen. Die Stadt Weinsberg muss wieder in der Lage sein, den Verwaltungshaushalt positiv zu gestalten und langfristig Mittel für den investiven Bereich zu erwirtschaften, um Weinsberg nicht nur zu verwalten, sondern auch in Zukunft noch zu gestalten.

Dann kommt das Dankeschön, das ich jetzt für den ersten Haushalt unseres neuen Kämmerers, Herrn Ehmann, für die insgesamt konstruktive Zusammenarbeit mit Ihnen, Herr Thoma, ihren Mitarbeitern und den Fraktionen im Gemeinderat ausspreche, vielleicht nicht nur von mir, sondern von den Weinsberger Bürgerinnen und Bürgern und eventuell auch von den Folgegenerationen.

Unsere Fraktion stimmt der Haushaltssatzung und dem Haushaltsplan 2011 der Stadt Weinsberg zu

Weinsberg, 22.03.2011       Eberhard Keilbach


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